Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Die Vermittlung einer privaten Krankenversicherung ist eine schwierige und komplexe Angelegenheit. Gut verdienende Angestellte oder Selbstständige werden mit günstigen Beiträgen und guten Leistungen von der privaten Krankenversicherung umworben. Doch allein der durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung bedingte Wechsel von der gesetzlichen Krankenver­sicherung birgt zahlreiche Risiken für den Kunden. Zu Recht fordern Rechtsprechung und Literatur vom Makler, bei einer Beratung über einen Versichererwechsel dem Kunden alle mit dem Wechsel möglicherweise verbundenen Konsequenzen aufzuzeigen. Vor einem Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung hat er auf die Vor- und Nachteile, die sich aus einem solchen Wechsel der Systeme ergeben, hinzuweisen. Wie Makler mit dem Thema umgehen sollten.

Die Botschaft der privaten Krankenversicherer ist deutlich: Anders als die gesetzliche Krankenversicherung bildet die private Krankenversicherung für die höheren Kosten im Alter finanzielle Rücklagen (Alterungsrückstellungen) und ist schon deshalb dem System der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich überlegen.

Alterungsrückstellungen im Modell

Ohne Alterungsrückstellungen müssten in der privaten Krankenversicherung die vom Kunden zu zahlenden Risikobeiträge mit zunehmendem Alter wegen der erhöhten Krankheitsanfälligkeit kontinuierlich steigen. Um das zu vermeiden und damit für die Vertragslaufzeit gleichbleibende Prämien zu garantieren, werden die Prämien in den ersten Jahren höher als der benötigte Risikobeitrag kalkuliert und der Überschuss bilanziell in eine Alterungsrückstellung eingestellt. In den versicherungsmathematischen Modellen können so über die Lebenszeit gleichbleibende Beiträge abgebildet werden. Der PKV-Verband teilt in einer aktuellen Pressemitteilung mit, dass die privaten Krankenversicherer die Alterungsrückstellungen auf 315,5 Mrd. Euro steigern und damit die Demografie-Vorsorge für ihre Versicherten deutlich ausbauen konnten.

Beiträge in der Praxis

Die Praxis spricht dagegen eine andere Sprache. Immer wieder kommt es zu teilweise erheblichen Beitragsanpassungen. Das liegt darin begründet, dass die den versicherungsmathematischen Modellen zugrunde liegenden Annahmen bestimmte Lebenswirklichkeiten wie die Entwicklung fortschreitender Lebenserwartung oder Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht vorhersehen können und deshalb regelmäßig nachkalkuliert werden müssen. Je später im Laufe eines Beitragslebens eine Anpassung erfolgt, desto höher ist in der Regel der Effekt.

Beiträge der privaten Krankenversicherung im Alter

Seit vielen Jahren beklagen sich zahlreiche privat versicherte Kunden darüber, dass sie im Alter die hohen Beiträge der privaten Krankenversicherung kaum noch oder nicht mehr zahlen können. Häufig reicht ein niedrigeres Einkommen im Alter nicht mehr aus, um die hohen Beiträge zu schultern. Denn grundsätzlich müssen auch im Rentenalter die Beiträge für die private Krankenversicherung einkommensunabhängig gezahlt werden und steigen möglicherweise weiter. Das beliebte Werbeargument von Vermittlern und Versicherern, dass in der privaten Krankenversicherung der Beitrag einkommensunabhängig kalkuliert wird und dadurch bei niedrigem Eintrittsalter deutlich günstiger als in der gesetzlichen Krankenversicherung ausfallen kann, erweist sich im Rentenalter als Bumerang.

Politik und Versicherer haben viel unternommen, um die Effekte abzumildern. Dennoch reichen die auf den ersten Blick imposanten Alterungsrückstellungen offenbar nicht immer aus, die Beiträge im Rentenalter auf einem bezahlbaren Niveau zu halten.

Kleiner Trost für die Betroffenen: Mit Rentenbeginn fällt allerdings der Beitrag für das Krankentagegeld weg. Ab dem 60. Geburtstag entfällt auch der gesetzliche 10%-ige Zuschlag. Ab dem 65. Geburtstag mildert der durch den gesetzlichen Zuschlag angesparte Betrag zudem künftige Beitragserhöhungen. Privatversicherte, die eine gesetzliche Rente beziehen, können bei der Rentenversicherung einen Zuschuss beantragen. Dieser beträgt derzeit 7,3% der gesetzlichen Rente.

Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung im Alter

Gesetzlich Versicherte werden unter bestimmten Voraussetzungen Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Wer eine gesetzliche Rente bekommt und in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens zu 90 Prozent gesetzlich versichert war, wird in der KVdR pflichtversichert. Dabei ist es unerheblich, ob in der Zeit der Erwerbstätigkeit eine Pflichtversicherung in der GKV, eine freiwillige Versicherung in der GKV oder eine Familienversicherung in der GKV vorlag. Es genügt, überhaupt Mitglied der GKV gewesen zu sein. Die Zeit des Erwerbslebens reicht vom Beginn der ersten Erwerbstätigkeit, einschließlich Berufsausbildung und Selbstständigkeit, bis zum Zeitpunkt des Antrags auf gesetzliche Rente.

Pflichtmitglieder der KVdR zahlen lediglich Krankenkassenbeiträge auf die gesetzliche Rente, gegebenenfalls auch noch auf belaufendes Arbeitseinkommen und Versorgungsbezüge wie Betriebsrenten, Pensionen oder Zahlungen von Versorgungswerken. Einkünfte aus Mieteinnahmen, Zinsen oder privaten Rentenversicherungen bleiben dagegen beitragsfrei. Die Rentenversicherung beteiligt sich an den Krankenkassenbeiträgen in der KVdR. Nach Beteiligung der Rentenver­sicherung beträgt der Beitragssatz für die KVdR zurzeit 7,3% der Rente plus Zusatzbeitrag. Bei Versorgungsbezügen und Erwerbseinkommen beträgt der Beitragssatz 14,6% plus Zusatzbeitrag.

Wer in der GKV vorversichert ist, aber die 90%-Grenze nicht erreicht, kann sich als Rentner freiwillig gesetzlich versichern. Anders als pflichtversicherte Rentner müssen freiwillig versicherte Rentner auf alle Einnahmen Krankenver­sicherungsbeiträge entrichten, also auch auf private Einnahmen (Miet- und Pachteinkünfte, Kapitalerträge, private Renten einschließlich privat abgeschlossener Riester-Renten). Der Beitragssatz für die freiwillige Versicherung beträgt 14,6% plus Zusatzbeitrag. Auf Antrag zahlt die Rentenversicherung einen Zuschuss von 7,3% der Rente plus hälftigen Zusatzbeitrag. Bei Versorgungsbezügen und Erwerbseinkommen beträgt der Beitragssatz ebenfalls 14,6% plus Zusatzbeitrag. Der Beitragssatz für Einkünfte aus Mieteinnahmen, Zinsen oder privaten Rentenver­sicherungen beträgt 14%.

Ob freiwillig versichert oder Pflichtmitglied: Bei niedrigen Einkommen sind die Beiträge im Rentenalter im Zweifel bezahlbarer als in der privaten Versicherung.

Rückschlüsse für den Beratungsprozess

Die Beitragskalkulation und -entwicklung ist nur ein – wenn auch wichtiger – Systemunterschied zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Weitere sind Familienversicherung, Gesundheitsprüfung, Rückkehr in die GKV, 55-Jahre-Grenze, Leistungsänderungen und andere. Makler sind gut beraten, die wesent­lichen Unterschiede der Systeme zu identifizieren und den Kunden darüber aufzuklären. Zwar richtet sich der Umfang der Beratungs- und Aufklärungspflicht nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Dennoch sollte immer über besonders relevante Umstände vorsorglich informiert werden. Für die Praxis empfiehlt es sich, dem Kunden zur Vorbereitung auf die Beratung eine Informationsbroschüre über die wesentlichen Beratungsinhalte auszuhändigen und in der nachfolgenden Beratung hierzu ergänzende Informationen und Empfehlungen abzugeben und zu dokumentieren. Insgesamt entsteht so eine ausreichend individuelle Beratungsdokumentation.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 82 f., und in unserem ePaper.

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