Im Jahr 2005 hatte ein Erblasser testamentarisch seine Tochter und seinen Lebenspartner als Erben eingesetzt. 2016 kam der Erblasser wegen weit fortgeschrittener Demenz in ein Pflegeheim. Sein Lebenspartner heiratete 2020 einen neuen Partner. Der Erblasser verstarb ein halbes Jahr später.
Der ehemalige Lebenspartner beantragte daraufhin einen Erbschein. Die Tochter des Erblassers widersprach jedoch und focht das Testament an. Sie vertrat die Ansicht: Hätte der Erblasser gewusst, dass sein Lebenspartner sich noch zu seinen Lebzeiten einem neuen Mann zuwende und diesen heirate, hätte er das Testament geändert und ihn nicht mehr zum Erben bestimmt.
„Hypothetischer Wille“ muss angenommen werden
Mit dieser Argumentation hatte die Tochter allerdings weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) Erfolg. Der Senat führte aus, dass kein Anfechtungsgrund vorliege. Zwar sei der Erblasser bei Abfassung des Testaments von einer Fortdauer der Lebensgemeinschaft ausgegangen. Nach der Rechtsprechung sei ein solches Testament auch grundsätzlich unwirksam, wenn die zugrundeliegende Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe. Eine Ausnahme gelte aber, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser das Testament auch für diesen Fall so gewollt habe (sogenannter „hypothetischer Wille“).
OLG: Demenz stand Fortführung der Partnerschaft im Weg
Eine solche Ausnahme liegt dem OLG zufolge hier vor. Denn wenn wie im vorliegenden Fall eine Demenz die Fortführung einer Lebensgemeinschaft faktisch unmöglich mache, sei die Sache anders zu beurteilen als in einem Fall, in dem sich die Partner auseinanderlebten oder einer der beiden sich aus der Beziehung heraus in schuldhafter Weise einem neuen Partner zuwende. Im konkreten Fall, so das OLG, habe die Lebensgemeinschaft lediglich infolge der Demenz nicht in der bisherigen Weise fortgeführt werden können. Der ehemalige Lebenspartner habe den Erblasser im Pflegeheim regelmäßig besucht und damit seine fortdauernde Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund sei von dem hypothetischen Willen des Erblassers auszugehen, dass das Testament Bestand haben solle. (ad)
OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.09.2022 – 3 W 55/22
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