Ein Beitrag von Diplom-Psychologe Rüdiger Maas, M.Sc., Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung
Gut bis sehr gut bewerten 70% der Angehörigen der Generation Z – Jahrgänge 1995 bis 2010 – ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das hat die repräsentative Generation-Thinking-Studie des Instituts für Generationenforschung aus dem Jahr 2018/19 herausgefunden (vgl. Maas 2019). Die demografische Situation bestätigt die Einschätzung der befragten jungen Menschen: Die Generation Z sind ca. 4,6 Millionen weniger als ihre Elterngeneration, die meist Angehörige der Generation X (Geburtsjahrgänge ca. 1965 bis 1979) sind. Damit ist die Generation Z die kleinste Generationeneinheit seit dem Zweiten Weltkrieg. Folglich kommen deutlich weniger Arbeitskräfte nach, als der Arbeitsmarkt Stellen anzubieten hat. Das bekommen alle Branchen zu spüren, auch die Versicherungswirtschaft.
Die Forderungen der Generation Z auf dem Arbeitsmarkt
Forderungen an den Arbeitgeber stellen? Für viele ältere Menschen undenkbar. Die Generation Z stellt jedoch Forderungen, und das nicht zu knapp. Warum das so ist, lässt sich mit der Generationenforschung erklären.
In der Generationenforschung geht man davon aus, dass sich bestimmte menschliche Merkmale immer in Auseinandersetzung mit der Umwelt herausbilden (vgl. Maas 2022). Um zu verstehen, warum sich Angehörige einer Generation in einer bestimmten Weise verhalten, muss immer auch das Umfeld berücksichtigt werden, in welchem sie aufwachsen. Die Generation Z wächst mit einem Arbeitnehmermarkt auf: Der aktuelle Mangel an Arbeitskräften bringt mit sich, dass sich junge Menschen beim aktuellen Arbeitnehmermarkt ihre Stellen noch aussuchen können. Für viele ältere Menschen bei ihren früheren Stellenbewerbungen noch ein wohlbekanntes Übel, doch Z-ler kennen es nicht, dass von 75 Bewerbungen nur ein Bewerbungsgespräch herausspringt. Im Gegenteil: Die händeringende Suche nach Arbeitskräften führt nahezu zu freier Stellenwahl bei den Z-lern. Sie können sich den Arbeitgeber aussuchen, der ihnen das Maximum anbietet. Den Wettbewerb um die jungen Arbeitskräfte gewinnt das Unternehmen, das eine angenehme Arbeitsatmosphäre und geregelte Arbeitszeiten anbietet…
Das schlägt sich auch in der Statistik nieder. Im Rahmen der Generation-Thinking-Studie aus dem Jahr 2018/19 zeigte sich ein regelrechter Wertewandel: Auf die Frage, was im Leben „sehr wichtig“ ist, antwortet etwa 30% der Angehörigen der Generation Y (Geburtsjahrgänge ca. 1980 bis 1994) mit „Familie“; „Einkommen“ dagegen bewerten 43% als wichtig. Bei der Generation Z jedoch zeigt sich ein anderes Bild. Hier bewertet 60% der Befragten Familie als wichtig, während die Bedeutung des Einkommens sinkt. Nur noch 35% empfinden „Einkommen“ als wichtig. Für das Überleben eines Unternehmens und ganzer Branchen wird es in Zukunft entscheidend sein, wie gut es den Wertewandel und die Forderungen der jungen Menschen umsetzen kann.
Der Einfluss des Internets
„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ – so eine berühmtes Zitat von Wilhelm ll., der von 1859 bis 1941 lebte. Offensichtlich hat Wilhelm ll. den Wertewandel verpasst. Damit Unternehmen ihn nicht verpassen, müssen sie verstehen, wie junge Menschen ticken. Sie müssen die Zeichen der Zeit, den Wertewandel, erkennen. Ein solches Zeichen ist das Internet.
Ein durchschnittlicher Z-ler hat bis zum Ende eines Tages mindestens vier Stunden auf digitalen Kanälen kommuniziert, 30 verschiedene Werbevideos und Storys gesehen, 400 Nachrichten gelesen oder geschrieben und 20 Überschriften überflogen. Das hat enorme Auswirkungen auf die Arbeitswelt: Bereits vor die Stellenbewerbung schiebt sich das Netz, nämlich in Form von Bewertungsportalen. 37% der Z-ler geben bei der Generation-Thinking-Studie an, dass Bewertungsportale den stärksten Einfluss auf ihre eigene Meinung haben. Vor der Bewerbung wird das Unternehmen standardmäßig gegoogelt. Zu viele negative Bewertungen und schon landet die Bewerbung nicht bei diesem Unternehmen. Beim Bewerbungsprozess ist Schnelligkeit des Arbeitgebers angesagt, denn die Flut der Stellenangebote macht es möglich, dass eine bessere Option eines anderen Arbeitgebers gewählt werden kann. Permanente Rückmeldung über den Stand des Bewerbungsprozesses erhöht nicht nur die Transparenz – die die jungen Menschen durch das Feedback in Form von Likes von der digitalen Welt kennen und einfordern –, sondern auch die Bereitschaft, auf das Ergebnis des Bewerbungsprozesses zu warten. Das Handy wird zum permanenten Begleiter, auch während der Arbeitszeit – 280-mal täglich wird das Smartphone durchschnittlich entsperrt. Die Arbeitszeit muss zukünftig anders gestaltet werden, damit die Aufmerksamkeit erhalten bleibt und Arbeitsaufträge konzentriert abgeschlossen werden können.
Die Forderungen der Generation Z an die Versicherungswirtschaft – neue Studienergebnisse 2022
In einer Welt, in der Transparenz und permanente Rückmeldung von jungen Menschen eingefordert wird, ist die Versicherungsbranche gefordert, will sie die Generation Z für sich gewinnen. Ein verstaubter Internetauftritt und die Suche nach einer Stelle bei diesem Unternehmen wird abgebrochen. Die Überzeugung, dass Versicherungen langweilig sind, und schon wird nicht einmal über eine Bewerbung nachgedacht.
Im Jahr 2021 kamen immer wieder Unternehmen aus der Versicherungsbranche auf das Institut für Generationenforschung zu. Immer wieder tauchten die gleichen Fragestellungen auf: Welches Image verbinden junge Menschen mit der Versicherungsbranche? Was wünschen sich junge Menschen von der Versicherungswirtschaft? Wie wirken Arbeitgeber der Versicherungswirtschaft auf junge Menschen?
Die groß angelegte repräsentative Studie des Instituts für Generationenforschung über die Einstellungen junger Menschen gegenüber der Versicherungs- und Finanzwirtschaft, die im Sommer dieses Jahres erscheinen wird, wird Antworten auf diese Fragen liefern. Sie wird die Stellschrauben aufzeigen, die in Zukunft zu stellen sind, sollen die Angehörigen der Generation Z für die Versicherungsbranche begeistert werden. Sie wird die Wünsche, Bedürfnisse und Ängste der Z-ler in der Versicherungsbranche aufzeigen. Umdenken ist unerlässlich, denn die Nachfolger der Generation Z, die Generation Alpha (Geburtenjahrgänge 2010 bis 2025) wird ebenso durch das Internet geprägt und eine vergleichsweise kleine Alterskohorte sein.
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