Eine 22-Jährige, der beim Start einer zweijährigen schulischen Ausbildung von der Familienkasse zunächst Kindergeld gewährt wurde, verließ die betreffende Schule nach gut einem absolvierten Jahr wieder und nahm ein paar Monate später eine Vollzeitbeschäftigung auf. Die Familienkasse erfuhr von diesem Sachverhalt erst später und hob die Kindergeldfestsetzung ab dem Zeitpunkt auf, zu dem die junge Frau die Schulausbildung abgebrochen hatte.
Familienkasse fordert zu erneuernde ärztliche Bescheinigung
Die Mutter der 22-Jährigen legte daraufhin verschiedene Atteste vor, mit denen sie nachzuweisen versuchte, dass ihre Tochter nur aufgrund einer Erkrankung die Schule nicht mehr weiter habe besuchen können. Der Familienkasse genügte dies aber nicht. Sie forderte eine alle sechs Monate zu erneuernde ärztliche Bescheinigung, aus der sich die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende ergeben. Außerdem ging sie davon aus, dass die 22-Jährige schon beim Abbruch der schulischen Ausbildung gegenüber der Familienkasse hätte erklären müssen, dass sie sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt um eine Berufs- oder Schulausbildung bewerben werde. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage für die Zeit zwischen Abbruch der Schulausbildung und Start der Vollzeitbeschäftigung statt und ging dabei davon aus, dass sich die junge Frau weiter in Ausbildung befunden habe.
Kindergeldanspruch zwischen Volljährigkeit und 25. Lebensjahr an Bedingungen geknüpft
Der Bundesfinanzhof (BFH) dagegen hält die Revision der Familienkasse für begründet: Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt gemäß § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ein Kindergeldanspruch u. a. dann in Betracht, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden, sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemühen oder sich wegen einer Behinderung nicht selbst unterhalten können.
1: In Ausbildung befindliches Kind
Eine Berücksichtigung als „in Ausbildung befindliches Kind“ setzt laut BFH voraus, dass das Ausbildungsverhältnis weiter besteht. Dies ist aber nicht gegeben, wenn das Kind, wie im Streitfall, während der Ausbildung erkrankt und das Ausbildungsverhältnis durch Abmeldung von der Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird.
2: Ausbildungsplatzsuchendes Kind
In einem solchen Fall kommt eine Berücksichtigung als „ausbildungsplatzsuchendes Kind“ in Betracht. Das wiederum setzt allerdings voraus, dass es sich um eine vorübergehende, d. h. ihrer Art nach voraussichtlich nicht länger als sechs Monate dauernde Krankheit handelt. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass das Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist.
3: Behindertes Kind
Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung kommt eine Berücksichtigung als „behindertes Kind“ in Betracht. Dem Finanzgericht wurde daher für den zweiten Rechtsgang aufgegeben, nähere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Tochter als ausbildungsplatzsuchendes oder behindertes Kind berücksichtigt werden kann. (ad)
BFH, Urteil vom 21.08.2021 – III R 41/19
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