Ein Artikel von Philipp Bulis, Principal der Financial Services Practice von Oliver WymanMit mehr als 2 Bio. Euro Assets under Management (AuM) an liquidem Finanzvermögen und mehr als 12 Mrd. Euro Erträgen p. a. zählt die Industrie der Vermögensverwalter zu den wichtigsten Finanzbranchen Deutschlands. Trotz ihrer Größe und Bedeutung ist der Durchdringungsgrad digitaler Angreifer, der FinTechs, mit unter 5% Marktanteil bis dato aber gering. Digitale Lösungen tragen meist zu einem verbesserten Kundenerlebnis bei, ersetzen aber noch nicht die Beratungsleistung an sich – die persönliche und zugeschnittene Beratung und der damit verbundene Zugang zum Kunden nehmen weiterhin einen festen Platz im Vermögensverwaltungsangebot ein und generieren signifikante Erträge. „Goldenes Jahrzehnt“ im Rücken – mit schlechteren Rahmenbedingungen nach vorneGetrieben von jahrelang niedrigen Zinssätzen und damit steigenden Marktpreisen sind die Assets under Management deutscher Vermögensverwalter zwischen 2017 und 2022 um 6% p. a. gestiegen. Obwohl die Ertragsmargen in den letzten Jahren durch Wettbewerbsdruck bereits stagnierten oder sogar leicht rückläufig waren, überkompensierten die steigenden Volumina den negativen Margeneffekt. Allerdings trübten schon vorher zwei Faktoren das Bild der Branche: Zum einen leiden insbesondere die größeren Institute und Privatbanken oft unter schwächerer Profitabilität mit einer Cost-Income-Ratio von deutlich über 80%. Zum anderen beträgt die Kreditpenetration und damit verbunden der Anteil des Zinseinkommens an den Erträgen häufig weniger als 20%. Die Erträge sind zumeist noch an das verwaltete Vermögen gekoppelt – sinkt dieses bei rückläufigen Finanzmärkten, fallen auch die Erträge der Vermögensverwalter schwächer aus. Am Markt bildet sich nun ein solches Negativszenario: Eine hohe Inflation hat die Zentralbanken zu starken Zinserhöhungen gezwungen, die Finanzmärkte werden herausfordernder und für Vermögensverwalter wird es somit noch schwieriger, künftig Geld zu verdienen. Hinzu kommt, dass sie aufgrund des bislang limitierten Kreditgeschäftes ertragsseitig nur wenig am steigenden Zins partizipieren. Da die Kosten zugleich meist zu mehr als zwei Dritteln aus Fixkosten bestehen und nicht im selben Maße flexibel an das verwaltete Vermögen gekoppelt sind, ist die Profitabilität vieler Vermögensverwalter nachhaltig bedroht.Die gute Nachricht: Vermögensverwaltung bleibt relevantFür Kunden besitzt die Vermögensberatung und -verwaltung nach wie vor eine sehr hohe Bedeutung und das Vertrauen wie die persönliche Beratung spielen eine entscheidende Rolle. Die entsprechende Expertise und Fähigkeiten, den Kunden zu beraten und anzuleiten, werden auch in Zukunft vergütet werden. Bemerkenswert sind hier die unabhängigen Vermögensverwalter, die mit einer sehr persönlichen Beratung und Beziehung punkten und so höhere Preise und Ertragsmargen durchsetzen können. Der Fokus sollte daher darauf liegen, mit den Bestandskunden mehr von diesem Wert zu generieren und andererseits mehr wertvolle Neukunden anzuziehen.Wie sieht der erste Schritt konkret aus?In der Praxis haben sich zur Steigerung der Erlöskraft Initiativen entlang von drei Stoßrichtungen bewährt, die zum Teil miteinander verlinkt und in weniger als zwölf Monaten auch kurzfristig realisierbar sind. Die Maßnahmen unterteilen sich in:Steigerung der Erlöse mit Bestandskunden: Dies beinhaltet u. a. das Anpassen der eigenen Preisstrukturen und der gewährten Sonderkonditionen bzw. die Steigerung der Mandats- oder Kreditquote. Oft sind diese Aktivitäten jahrelang nicht überprüft worden, sodass Anpassungen zügig einen signifikanten Mehrwert erzielen können.Steigerung der Erlöse mit Neukunden: Dies beinhaltet u. a. das systematischere Ansprechen von Neukunden (z. B. auch über das systematische Aufsetzen eines Empfehlungsmanagements) sowie die proaktive Analyse und Vermeidung von Abflüssen oder Kundenabwanderungen.Steigerung der Erlöse mit anorganischen Aktivitäten: Dies beinhaltet u. a. das Abwerben von Assets, einzelnen Kundenbetreuern oder ganzen Teams. Viele Vermögensverwalter praktizieren dies schon heute, die Realisierung birgt aber oftmals die größten Unsicherheiten und dauert am längsten. Unsere Erfahrung zeigt, dass es empfehlenswert ist, nach kurzer Diagnose die Initiativen im Bereich der Bestandskunden oder der Neukunden zuerst anzugehen. Hier lassen sich innerhalb von sechs bis zwölf Monaten erste Erfolge erzielen, bevor andere Initiativen ausgeweitet werden. Ebenfalls ratsam ist es, die Incentivierung der eigenen Kundenbetreuer kritisch zu prüfen, was unserer Erfahrung nach aber zumeist eine komplexere Anpassung erfordert.Ergebnisse für einen dauer­haften Wettbewerbsvorsprung Die genannten Investitionen zahlen sich aus Sicht von Oliver Wyman schon für kleine Institute zügig und nachhaltig aus. Folgende Ergebnisse haben wir beispielsweise erfolgreich umgesetzt:Anpassung der heutigen Preis- und Sonderkonditionsstruktur auf ein marktübliches NiveauEine Erhöhung der provisionsbasierten Erträge um +15% durch Bereinigung der Sonderkonditionen bei gleichzeitig unter 0,5% KundenabwanderungEine Erhöhung der provisionsbasierten Erträge um +20% durch Konzeption neuartiger AngeboteAllen genannten Ergebnissen gemein ist, dass sie sowohl die Ertragsbasis als auch mittelfristig die Stimmung unter den Mitarbeitern nachhaltig verbessern und zugleich die zukünftige Investitionsfähigkeit des Hauses sicherstellen. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es unabdingbar, dass die Geschäftsleitung diese Strategie unterstützt, mitträgt und im eigenen Haus priorisiert.Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2023 und in unserem ePaper.Bild: © Manoj – stock.adobe.com
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