Rund fünf Jahre sind seit Veröffentlichung der DIN 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privataushalte“ vergangen. Ihr folgte eine normierte Risiko- und Finanzanalyse für Gewerbekunden. Im Januar hat nun der im Herbst 2023 gegründete Normenausschuss „Finanzen“ (NAFin), in dem nun alle Normen und Standards für Finanzen koordiniert werden sollen, die Arbeit aufgenommen. Als europäisches Pendant wurde mittlerweile das Gremium CEN/TC 475 gegründet. Zudem läuft gerade das Kommentierungsverfahren zur DIN 77236 „Nachhaltigkeitsscoring für Finanzprodukte – Eine standardisierte Vorgehensweise zur Einordnung von Finanzprodukten anhand von Nachhaltigkeitsmerkmalen“. Qualitätsverbesserung und SelbstverpflichtungWas als dröge Aufzählung daherkommt, zeugt doch von intensiven Bestrebungen, DIN-Normen im Rahmen der Finanz- und Versicherungsberatung zu stärken und voranzutreiben. Wesentlicher Treiber hinter den Entwicklungen ist das DEFINO Institut für Finanznorm AG, das sowohl Software als auch Berater entsprechend zertifiziert. Die Idee, mit einer DIN-Norm eine Qualitätsverbesserung in der Finanzanalyse als Basis der Finanz- und Versicherungsberatung zu erreichen, fand eine breite Unterstützung in der Branche, bei Verbänden und Verbraucherschützern. Sicherlich steckt auch der Versuch dahinter, mit einer Art von Selbstverpflichtung, weiteren gesetzgeberischen Regulierungen zuvorzukommen. Wie läuft es in der Praxis?In der Praxis sind die Normen bisher allerdings nicht überall angekommen. Es gibt die Vermittler, die auf den Einsatz der Normen in der Beratung schwören. Die Verbreitung dürfte aber wohl weiterhin hinter den Erwartungen zurückliegen. Zudem sind die Normen bei Kunden nur wenig bekannt und werden noch weniger in der Beratung eingefordert. Ersetzt eine Norm den fachlich geschulten Berater?Über den Erfolg der DIN-Normen lässt sich also streiten. Die Maklergenossenschaft VEMA übt nun aber sogar heftige Kritik an den Normierungsvorhaben. In einem aktuellen Statement vertritt VEMA-Vorstand Dr. Johannes Neder die Auffassung, dass Finanzberatung keine Normung brauche. Er geht noch einen Schritt weiter: Wer die DIN unterstütze, erweise der Branche einen Bärendienst. Er fürchtet, dass Normen den Boden für die Annahme sein könnten, dass der fachlich geschulte Berater in seiner heutigen Form nicht mehr benötigt werde. Es werde der Eindruck erweckt, dass man dank der Norm nichts mehr falsch machen könne. Neder setzt dagegen auf die Qualität und Kompetenz der Berater, die Kunden individuell nach deren Bedarf zu beraten. Ein nachvollziehbarer Punkt für eine Maklergenossenschaft, die den Wert des Beraters bzw. Maklers immer wieder in den Mittelpunkt rückt und an dessen Kompetenzen und Qualität nicht rütteln will. Andererseits ist der Einsatz der DIN-Normen keine Pflicht und auch keine Regulierung. Der einzelne Makler hat die Wahl und kann über den Einsatz frei entscheiden. Stärkt die Norm den Berater?Mittlerweile hat DEFINO-Vorstand Dr. Klaus Möller auf die Kritik von Neder reagiert. Ausführlich geht er auf die VEMA-Aussagen ein. Im inhaltlichen Kontext betont er, dass die Norm die Begleitung der subjektiv richtigen Priorisierung der als relevant identifizierten Risiken und Notwendigkeiten, die Erarbeitung von Lösungen sowie die Empfehlung und den Verkauf der passenden Produkte den Berater keinesfalls streitig machen. Vielmehr stärke eine Norm wie die DIN-Norm 77230 den Berater. Es ginge dabei nur um die Finanzanalyse, auf die der Berater dann individuell aufsetzen könne. Die Norm helfe, so Möller, Risiken und finanzielle Notwendigkeiten objektiv und neutral zu identifizieren, die individuelle Absicherung folge vonseiten der Beraters. Angst schüren sei hier fehl am Platz. (bh)Der Text wurde am 16.02.24, 15:30 Uhr, um den Absatz zum DEFINO-Statement ergänzt. Bild: © blende11.photo – stock.adobe.com
Source: ImmoCompact